Strafbefreiende Selbstanzeige und Aufklärungshilfe auch bei Steuerhinterziehung durch mehrere Angeklagte möglich

Der BGH hat in einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 27. August 2019, 1 StR 586/18) die strafmildernde Möglichkeit der Selbstanzeige und der Aufklärungshilfe bei Steuerhinterziehung auch im Fall mehrere Angeklagter festgestellt.

Zum Fall:

Der Angeklagte H. war vom Landgericht wegen Betrugs in 53 Fällen, Steuerhinterziehung und Subventionsbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht verurteilte den Mitangeklagten A. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Laut Urteil wurden A. Betrug in drei Fällen und Beihilfe zum Betrug vorgeworfen. Der Angeklagte E. wurde zu einer Gesamtstrafe in Höhe von 240 Tagessätzen, der Angeklagte Al. zu einer Gesamtstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Da sich das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögerte hatte, wurden zur Kompensation die Gesamtfreiheitsstrafen um jeweils vier Monate reduziert. Das Gericht reduzierte die Geldstrafen um jeweils 90 Tagessätze.

In dem Verfahren ging es im Wesentlichen um die Kernfrage, ob eine Selbstanzeige noch möglich ist, wenn ein Mitangeklagter zuvor Selbstanzeige erstattet hat und ob die zudem getätigte Aufklärungshilfe noch strafmildernd zu berücksichtigen ist. Diese Frage hat der BGH bejaht. Wörtlich heißt es:
„Die Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist jedenfalls nicht bereits zwingend aufgrund der Selbstanzeige des Mitangeklagten ausgeschlossen (…). Denn auch einer Offenbarung von Wissen durch einen Angeklagten erst nach einer Selbstanzeige eines anderen Beteiligten kann noch wesentliches Gewicht für die Aufklärung der Taten des anderen Beteiligten zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen oder Beweise kundgetan werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird.“

Entscheidend ist somit, wann eine Selbstanzeige getätigt wird und ob diese Handlung noch einen potenziellen Beitrag zur Aufklärung liefern konnte, wenn andere Mitangeklagte bereits
Selbstanzeige getätigt hatten. Der BGH hat bekräftigt, dass Aufklärungshilfe auch dann relevant sein kann, wenn ein anderer Beteiligter zuvor Selbstanzeige getätigt hat.

Für Beschuldigte einer Steuerhinterziehung kann dies ernorme Vorteile haben:

Eine Aufklärungshilfe führt gemäß § 46b StGB zu einer Strafrahmenverschiebung. Das bedeutet, dass Betroffenen sich die Möglichkeit eröffnet, eine deutlich mildere Strafe zu bekommen, da das Gericht somit die Möglichkeit hat, unter dem erhöhten Strafrahmen zu bleiben.

Bespiel: Gemäß § 370 Abs. 3 AO liegt die Strafe für Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall bei Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren. Im Fall der anerkannten Aufklärungshilfe hat das Gericht die Möglichkeit unter der Mindesstrafe von 6 Monaten zu bleiben und sogar nur Geldstrafe zu verhängen.

Voraussetzung ist, dass die Aufklärungshilfe zur Festigung der Grundlage der Beweisführung oder zum Gewinn neuer Erkenntnisse führt. Es kommt darauf an, ob der Angeklagte im Sinne des § 100a Absatz 2 Nr. 1 StPO durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens zur Aufdeckung von Straftaten beigetragen hat.

Gemäß § 371 AO haben Personen, die mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung konfrontiert sind, die Chance, durch Selbstanzeige straffrei zu bleiben. Jedoch besitzt der Täter nur einen Versuch – die Anzeige muss inhaltlich absolut korrekt sein, ansonsten ist sie ungültig. Es handelt sich hierbei um keinen „Freifahrtschein“ für Steuerhinterziehung, sondern der Gesetzgeber fördert das Zutagetreten von Taten, die ansonsten unerkannt geblieben wären und erhält gleichzeit die hinterzogenen Steuern im Wege der Nachzahlung.

Eine Selbstanzeige wirkt sich – sofern sie ordnungsgemäß getätigt wird – strafmildernd bei Steuerhinterziehung aus. Allerdings existieren zahlreiche Voraussetzungen und Fristen, die zu berücksichtigen sind. Erfahrene Rechtsanwälte im Steuerstrafrecht werden auch im Sinne der dargestellten Entscheidung die Beratung auf die Optionen deutlicher Strafmaßvergünstigungen durch Aufklärungshilfe ausrichten und Ihre Mandanten darüber aufklären. Die dargestellte Entscheidung des Bundesgerichtshofes ermöglicht auch in Steuerstrafverfahren gegen mehrere Beschuldigte, Boni durch Aufklärungshilfe zu erlangen.

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